Im Caritas-Lerncafé Linz: Caritas OÖ-Direktor Franz Kehrer und Michaela Lehofer, Leiterin der Lerncafés der Caritas in Oberösterreich.

10 Jahre Caritas-Lerncafés: mit Bildung gegen das Armutsrisiko

Die Caritas-Lerncafés in Linz, Wels, Marchtrenk, Steyr und Vöcklabruck waren gerade im Corona-bedingten Homeschooling für Kinder aus sozial benachteiligten Familien eine wichtige Stütze. „Der Ausbau von kostenlosen Förderangeboten nach diesem Muster für Kinder aus sozial benachteiligten Familien wäre ein Gebot der Stunde. Denn Bildung ist die beste Armutsprävention. Wir müssen gegensteuern, damit Kindern Chancen im Leben eröffnet werden und die Armut von Familien, die durch Corona neu entstanden ist oder verschärft wurde, nicht vererbt wird", fordert Caritas OÖ-Direktor Franz Kehrer.

Die aktuellen Zahlen der Statistik Austria (EU-SILC 2020) zeigen erneut, dass Kinder- und damit Familienarmut in Österreich ein schwerwiegendes Problem ist: Fast ein Viertel aller armuts- und ausgrenzungsgefährdeten Menschen in Österreich sind Kinder, das entspricht 350.000 Kindern im Alter bis 17 Jahren. „Wie sich die Situation durch Corona entwickelt hat, werden wir erst im kommenden Jahr sehen. Die Daten wurden von März bis Juli 2020 erhoben“, sagt Caritas OÖ-Direktor Franz Kehrer.

Corona hat wie ein Brennglas die ungleich verteilten Chancen von Kindern vor Augen geführt und Probleme verschärft: Durch Distance-Learning sind gerade bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien Bildungslücken entstanden: weil sich mehrere Kinder einen Laptop teilen müssen oder es in der kleinen Wohnung keinen ruhigen Ort gibt, wo sich die Kinder zum Lernen zurückziehen können. „In vielen Familien können Eltern aus unterschiedlichsten Gründen auch nicht so unterstützen, wie es nötig wäre: weil sie alleinerziehend sind, arbeiten müssen, mehrere Kinder ihre Zeit und Aufmerksamkeit brauchen oder sie aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht helfen können. Und oft fehlt auch das Geld für bezahlte Nachhilfe“, weiß Michaela Lehofer, Leiterin der Caritas-Lerncafés in Oberösterreich. „Das Homeschooling wirkte sich vor allem bei Kindern, die in ihrer Zweitsprache Deutsch noch nicht sicher sind, eher negativ aus. Der sprachliche Austausch mit Gleichaltrigen und das ,Sprachbad‘ im Präsenzunterricht fehlten.“

Doch wenn die Kinder die Schule oder dann eine Ausbildung nicht erfolgreich abschließen können, besteht ein noch größeres Risiko, in die Armut abzurutschen. Die Caritas leistet seit 2011 einen Beitrag, das „Vererben von Armut“ zu unterbrechen und den Kindern durch ganzheitliche Förderung und Lernbegleitung in den Caritas-Lerncafés Chancen und Perspektiven zu eröffnen. Mit Erfolg: Jährlich können 95 – 98 Prozent der Kinder zwischen 6 und 15 Jahren das Schuljahr erfolgreich abschließen. Seit der Eröffnung des ersten Lerncafés in Marchtrenk 2011 wurden 610 Kinder von 394 Freiwilligen in Oberösterreich unterstützt.

Umwandlung zu „Ferncafés“ in der Corona-Zeit

Die Lerncafés bieten eine kostenlose Lern- und Nachmittagsbetreuung für Kinder und Jugendliche von 6 bis 15 Jahren aus sozial benachteiligten Familien. Gemeinsam mit vielen freiwilligen MitarbeiterInnen wurden die Schüler*innen während der Corona-Zeit beim Lernen virtuell unterstützt: „Vor allem im ersten Lockdown gaben die virtuellen Lerncafés den Kindern Struktur und Halt. Sie konnten virtuell Zeit miteinander verbringen und bekamen Unterstützung bei den Aufgaben. Viele waren untertags nur mit älteren Geschwistern allein daheim, weil die Eltern in den ,systemerhaltenden Berufen‘ wie Reinigung, im Handel, in der Pflege oder in der Zustellung dringend gebraucht wurden“, berichtet Michaela Lehofer.

Das Erfolgsrezept der Lerncafés: Hier wird nicht nur Lernstoff vermittelt, sondern das Gelernte auch durch verschiedene Aktivitäten in die Lebensrealität und die Erfahrungswelt der Kinder „übersetzt“. So gelingt es, die Schule positiv abzuschließen und damit bessere Chancen im weiteren Leben zu erhalten. „Doch um den tausenden sozial benachteiligten Kindern eine gute Zukunft zu eröffnen, braucht es dringend ein Bündel verschiedener Maßnahmen der Regierung“, sagt der Caritas OÖ-Direktor. So fordert er u.a. den Ausbau qualitativ hochwertiger außerschulischer Förderangebote nach dem Muster der Lerncafés. Als wirksames Mittel sieht er ebenso einen Chancen-Index bei der Vergabe von Ressourcen für Schulen. Einzelne Schulstandorte, die bei der Begleitung der Kinder vor besonderen Herausforderungen stehen, könnten so mehr Unterstützung und finanzielle Ressourcen erhalten.